Andrea Harmonika: Die Mama kommt gleich

Bettgeschichten aus der Elternzeit

Dieser Text stammt aus dem Buch „Jedem Anfang wohnt ein verdammter Zauber inne“ von Andrea Harmonika. Das Buch könnt Ihr direkt hier im Shop, im Buchhandel vor Ort oder bei Amazon bestellen.



Machen wir uns nix vor. Sobald die Kinder da sind, findet ein Paradigmenwechsel zwischen den Laken statt. Denn so unbekümmert, wie wir früher eine Anziehsachenspur vom Küchentisch durch den Flur bis ins Schlafzimmer gelegt haben, wird es vorerst nicht mehr. Aber kein Grund zur platonischen Panik! Nur weil etwas anders wird, muss es ja nicht automatisch schlechter werden.

Aber wie genau verändert sich eigentlich so ein Techtelmechtel, wenn ein Winzling da ist? Und wie geht es weiter, wenn dieser wohlmöglich irgendwann Verstärkung bekommt? Reißt man sich die Kleider tatsächlich nur noch vom Leib, weil sie vollgekotzt sind? Und lauert wirklich hinter jedem potenziellen Türrahmen ein „Was macht der Papa da?“

Alle auf Mama? Von wegen!

Als Erstes sollte man sich darüber im Klaren sein, dass sexuelle Vollkontakte unter frisch gebackenen Eltern eher Mangelware sind. Das geht bereits in der Schwangerschaft los. Während die meisten Frauen ihre ersten Rundungen nach einem positiven Schwangerschaftstest noch in vorfreudiger Erregung willkommen heißen, fühlen sie sich gegen Ende der Schwangerschaft ungefähr so aphrodisierend wie ein Haufen Bügelwäsche und wollen auf dem letzten Meter eigentlich nur noch Sex, wenn ausgedehnte Spaziergänge und die Nummer 27 vom Shiva-Imbiss keine geburtseinleitende Wirkung gezeigt haben.

Und auch wenn man schließlich stundenlang seinen leicht bekleideten Hintern vor der Nase des werdenden Vaters kreisen lässt, bleibt selbst ein in Kerzenlicht getauchter Kreißsaal ein ausgesprochen asexueller Ort. So wie das Wochenbett. Und das soll wohl so sein. Immerhin ist den meisten Frauen unter der Geburt ein bisschen mehr als nur der Geduldsfaden gerissen. (Ganz davon abgesehen, dass sich vor allem Mütter nach endlosen Dauerkuschelphasen mit dem Baby durchaus nach Momenten sehnen, in denen sich mal kein Familienmitglied auf sie legt.)

Sex ist wie Fahrrad fahren

Aber irgendwann kommt der lang ersehnte Zeitpunkt, an dem beide Eltern wach sind, während das Baby schläft. „Hurra!“, stellen wir erleichtert fest. Sex ist ja wie Fahrrad fahren. Zwar fällt die erste Runde meist etwas holprig aus („LANGSAMLANGSAMLANGSAM!!! VORSICHTVORSICHTVORSICHT!!“), aber immerhin ist man wieder gemeinsam auf der Straße.

Allerdings sind wir im Gegensatz zu früher jetzt auch deutlich schneller am Ziel. Und das liegt an Folgendem: Vor den Kindern waren wir sexuelle Sonntagsfahrer. Da bummelten wir in aller Seelenruhe durch die Landschaft. „Halt doch mal an. Och guck, hier ist es ja auch ganz schön.“ Wenn man aber ein Baby bekommen hat, verwandelt man sich vom herumtrödelnden Sonntagsfahrer in einen Berufspendler. Und der möchte nicht wirklich rechts ranfahren und die Aussicht genießen, sondern vor dem Feierabendstau zu Hause sein. Mit Kind gilt deshalb plötzlich: Keine Umwege, keine Experimente! Der Weg mit dem geringsten Aufwand bei gleichzeitig größtmöglicher Wertschöpfung ist das Ziel. Also hören Sie auf, kostbare Zeit mit dem Tragen von Unterwäsche oder dem Dimmen von Glühbirnen zu verplempern und lassen Sie um Himmels Willen die Scheiß-Kuschelrock-CD im Schrank. Denn wenn Simon & Garfunkel jetzt Ihr Baby wachplärren, dann stehen die Chancen leider ziemlich gut, dass das Einzige, was als Nächstes irgendwo durchstößt, ein neuer Milchzahn ist.

Macht Euch bereit

Doch halten Sie durch. Oder um es mit den Worten von Rolf Zuckowski zu sagen:

‚Macht Euch bereit,
macht Euch bereit,
jetzt kommt die Zeit,
auf die ihr Euch freut‘.

In diesem Fall ist es allerdings nicht die Weihnachtszeit, die naht, sondern die Zeit, in denen die Kinder dem Klitzekleinkindalter entwachsen sind. Diese kleinen Bündel, die man erst gestern noch vorsichtig am Pucksackzipfel auf die Seite gezogen hat, um auf die andere Seite der Matratze zu gelangen, sind nämlich spätestens übermorgen propere kleine Kindergartenkinder oder besuchen eine Grundschule. Und dann können Sie sich warm ausziehen. Denn neben den Kindern macht sich endlich auch eine neue Hoffnung in Ihrem Bett breit: die Rückkehr des Vorspiels.

Wo gehobelt wird, fallen Späne

Denn die Kinder schlafen jetzt nicht nur durch. Sie werden vor allem auch nicht mehr gleich wach, wenn man sich beim Tête-à-Tête im Nebenzimmer versehentlich auf einen Schleich-Stegosaurus gerollt hat. Endlich feiert der längst schon verloren geglaubte Firlefanzsex sein fulminantes Comeback, und mit ihm der ganze bummelige Popanz, den wir so sehr vermisst haben. Kerzen. Rotwein. Fummelige Stellungen, für die in den letzten Jahren keine Zeit (oder Kraft in den Oberschenkeln) übrig war. Ja selbst sonntagmorgens um 8 Uhr kann man es jetzt leise krachen lassen. Denn die Kinder sind nun nicht nur in einem Alter, wo sie alleine aufstehen und ins Wohnzimmer schleichen können. Sie können auch endlich ihr eigenes Netflix-Profil auf dem Fernseher bedienen. Zwar ist der Preis für ihr sperrangelweit offenstehendes Sexfenster eine Packung Zwieback, die von den Kindern großflächig über die Sofalandschaft zerbröselt wird. Aber wo gehobelt wird, fallen ja bekanntlich Späne.


Komfortables Sexleben!?

So müsste dieses Kapitel jetzt streng genommen enden. Nämlich dann, wenn wieder alles im verführerischsten Lot ist. Aber leider ist noch nicht alles gesagt. Und weil ich am Ende dieser Beischlafbetrachtung niemandem den Spaß verderben möchte, überlasse ich die Aufgabe einfach meiner Freundin Henrike. Die hat nämlich einmal den folgenden, äußerst verstörenden Satz formuliert:

„Genießt euer komfortables Sexleben, solange die Kinder klein sind!“

Da reißen wohl alle Eltern mit kleinen Kindern beim Lesen zu Recht ihre müden Augen auf. Komfortables Sexleben? Soll das ein Witz sein? Eine hosenlose Frechheit ist das. Was soll denn bitte an einem gelegentlichen Boxenstopp auf der Fußbodenmatratze im Flur komfortabel sein? Wenn Sie allerdings mit anderen Eltern sprechen, deren Kinder wie das von Frau und Herrn Nieselpriem ein zweistelliges Alter erreicht haben, verstehen Sie vielleicht diese befremdliche Aussage.

Sobald den Kindern klar wird, dass die Grundlage ihrer Existenz nicht allein auf Saftfasten und meditativem Tanz beruht, fangen sie nämlich an, Fragen zu stellen. So wie beispielsweise der 11 Jahre alte Sohn von Schmichaela (Name von der Autorin geändert), der neuerdings mit Fragen wie:

„Habt ihr heute Sex?“,
„Wie oft macht ihr das?“ und
„Wie lange dauert das dann?“

aus der Schule kommt. Das wäre ja noch in Ordnung. Sobald sich aber die anfängliche Faszination des Grauens („Is‘ ja voll eklig, aber erzähl mal.“) gelegt hat, sehen Kinder anscheinend überhaupt nicht mehr ein, ihren Eltern ein ungestörtes Zeitfenster für ihre Sauereien zur Verfügung zu stellen.

Is‘ ja voll eklig. Punkt.

To-do-Liste: Do it!

Teenager hängen also nicht nur die ganze Zeit zu Hause rum und fressen einem die Haare vom Kopf, sondern glauben einem auch nicht mehr, dass der Papa gerade den Heimlich-Handgriff anwendet, weil sich die Mama verschluckt hat.

Ach je. Was ist das alles kompliziert! Erst stellst du fest, dass selbst deine Geschirrhandtücher öfter gebügelt werden als du. Und wenn du dann nach tausend und einer Pipi-Durst-schlechtgeträumt-Nacht endlich glaubst, jetzt wird alles besser, brauchst du dir die Beine also nur noch zu rasieren, wenn eine Klassenfahrt ansteht.

Dabei wollen wir doch einfach nur ab und zu ein bisschen mehr, als unsere Terminkalender abzugleichen. Und das sollten wir auch. Schließlich wird das Bindungshormon Oxytocin nicht nur beim Riechen an Babyköpfen, sondern auch beim Knutschen und Fummeln ausgeschüttet – quasi eine biologische Zärtlichkeitswaffe, damit sich ein „Wish You Were Here“ nicht dauerhaft in ein ‚Wish You Were Beer‘ verwandelt.

Aber wie schon Rennsportlegende Walter Röhrl sagte: „Driften ist die Kunst, einen instabilen Zustand stabil zu halten.“



Dieser Text stammt aus dem Buch „Jedem Anfang wohnt ein verdammter Zauber inne“ von Andrea Harmonika. Das Buch könnt Ihr direkt hier im Shop, im Buchhandel vor Ort oder bei Amazon bestellen.

Jedem Anfang wohnt ein verdammter Zauber inne -- Cover
Das Cover des Buches „Jedem Anfang wohnt ein verdammter Zauber inne – Vom Sinn und Unsinn mit Kindern“ von Andrea Harmonika, erschienen bei Veryfatbooks


Stimmen zum Buch:

„Es gibt viele Bücher übers Elternsein, aber dieses ist ein besonders gutes.“
Westfälische Nachrichten

„weise und witzig“
BRIGITTE

„Klug, offen, lustig, warm und sehr selbstironisch.“
Brigitte MOM

„Schreiend-komisch und treffend-ehrlich.“
Hamburger Morgenpost

„Lustig, lakonisch und mit ganz viel Liebe geschrieben.“
ELTERN family

„Bei ihren Texten hat man oft Tränen in den Augen – meistens vor Lachen, manchmal vor Rührung, aber jedes Mal treffen sie mitten ins Herz.“
Danielle Graf, Spiegel-Bestsellerautorin von „Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn.“



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